Stellungnahme der Cannabis-Fachverbände „Medizinische Cannabisblüten und die Therapiefreiheit erhalten“

Berlin, 28.08.2025: Der Beauftragte der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, Prof. Dr. Hendrik Streeck, hat sich in den Medien dafür ausgesprochen, das Cannabisgesetz (CanG) zu reformieren und in diesem Zuge die Verordnung von Cannabisblüten zu verbieten: Er begründet das unter anderem mit einem schwankenden THC-Gehalt, einer potenziellen Schädigung der Lunge, einem erhöhten Krebsrisiko sowie dem Hinweis, dass es oft weniger um die Linderung von Leiden, sondern eher um Freizeitkonsum gehe. Für Streeck stellen im Gegensatz zur Inhalation Kapseln und Tropfen die medizinisch sinnvolle Form dar, da diese „präzise dosierbar, evidenzbasiert, sicher“ seien.

Das Medizinalcannabis-Verbändebündnis, bestehend aus Fachverbänden von Ärztinnen und Ärzten, Apothekerinnen und Apothekern, Patientinnen und Patienten sowie der pharmazeutischen Industrie, tritt diesem Vorschlag entschieden entgegen. Dazu stellt das Bündnis zunächst klar, dass das Medizinalcannabisgesetz 2017 primär mit dem Ziel verabschiedet wurde, die Verschreibungsfähigkeit von Medizinalcannabisblüten herzustellen. Um die Auswirkungen des Gesetzes evaluieren zu können, wurde nachfolgend eine 5-jährige Begleiterhebung durchgeführt. Aus dem Abschlussbericht der Bundesopiumstelle des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)[1] geht eindeutig hervor, dass Medizinalcannabisblüten im Vergleich zu allen anderen Cannabisarzneimitteln nicht nur besser wirksam, sondern auch besser verträglich sind, zu weniger Therapieabbrüchen führen und insgesamt zu einer stärkeren Verbesserung der Lebensqualität führen.

Wissenschaftliche Arbeiten zeigen außerdem, dass der Einsatz von Cannabisblüten nicht nur ein effektives Schmerzmanagement ermöglicht, sondern auch Opioid-reduzierende Effekte erzielt: Der Opioidbedarf kann internationalen Publikationen zufolge um bis zu ca. 50 Prozent sinken.[2]Patient:innen müssen daher weiterhin zuverlässig Zugang zu sicheren, qualitätsgeprüften Cannabisblüten erhalten. Eine bedarfsorientierte Patientenversorgung darf unter keinen Umständen eingeschränkt werden“, betont Antonia Menzel, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbands pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen e.V. (BPC).

Cannabisblüten erlauben einen schnellen Wirkeintritt

Die inhalative cannabisbasierte Therapie hat gegenüber der oralen Behandlung den entscheidenden Vorteil, dass gerade durch den raschen Wirkeintritt eine sehr genaue Dosierbarkeit möglich ist. Die Wirkung setzt bereits nach Sekunden bis wenigen Minuten ein und hält zwei bis drei Stunden an. Dies ist hingegen bei einer oralen Behandlung wegen des deutlich verzögerten Wirkeintritts oft nicht möglich. Zudem liegt die Bioverfügbarkeit von Cannabisblüten mit 15 bis 35 Prozent deutlich höher als bei oralen Präparaten (drei bis zwölf Prozent). Aus diesen Gründen ist die inhalative Therapie besonders – aber nicht ausschließlich – zur Therapie von akuten Schmerzen oder Spastiken alternativlos. Leider stehen bis heute kaum alternative cannabisbasierte Medikamente zur Inhalation zur Verfügung, so dass die inhalative Blütentherapie gegenwärtig aus der Cannabisbehandlung nicht wegzudenken ist. Zahlen der GKV-Arzneimittel-Schnellinformation (GAMSI)[3] belegen, dass cannabisbasierte Therapien zu Lasten der GKV in etwa der Hälfte der Fälle mit medizinischen Cannabisblüten erfolgen.

Patientenversorgung sicherstellen und ärztliche Therapiehoheit wahren

Im Fokus jeder Behandlung sollten die Patientensicherheit und eine qualitätsgesicherte Versorgung mit medizinischem Cannabis stehen. „Ein Verschreibungsverbot von medizinischen Cannabisblüten würde einer großen Zahl von Patient:innen die Möglichkeit nehmen, ihre seit Jahren etablierte, wirksame und ärztlich überwachte Therapie fortzusetzen. In der Folge würden viele Patient:innen – wie bereits vor 2017 – wieder in die Selbsttherapie mit Cannabis aus illegalen Quellen gedrängt werden“, bekräftigt Prof. Dr. Kirsten Müller-Vahl, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e.V. (ACM).

Die Auswahl der geeigneten Darreichungsform sollte basierend auf der Symptomatik, der Wirkweise und Wirkdauer getroffen werden können – und stets unter Berücksichtigung der individuellen Situation der Patient:innen. „Die finale Entscheidung muss dem behandelnden Arzt obliegen – und dafür sollten alle Optionen zur Verfügung stehen, um die am besten geeignete Therapie auszuwählen“, so Michael Greif, Geschäftsführer des Branchenverbands Cannabiswirtschaft e.V. (BvCW).

Wichtig ist, dass eine inhalative Therapie mit Medizinalcannabisblüten nicht durch Rauchen von Joints erfolgen sollte, da dies die Lunge schädigen und das Krebsrisiko erhöhen kann. Diese Risiken können jedoch stark reduziert werden, indem die Inhalation mittels Vaporisator erfolgt. Als Medizinprodukt zugelassene und geprüfte Vaporisatoren erlauben eine schadstoffreduzierte, effiziente und validierte Applikation. Die THC-Dosierungen werden per Atemzug aufgenommen und die Einnahme kann jederzeit abgebrochen werden. Insgesamt erlaubt die inhalative Applikation eine leichtere, nebenwirkungsarme Dosisfindung.

Standardisierte Alternativen statt pauschaler Verbote

Die Bundesregierung sollte gezielte Anreize schaffen, um Investitionen in Forschung, Entwicklung und Zulassung standardisierter inhalativer und oraler Präparate aktiv zu fördern und Medizinalcannabis schrittweise in die Regelversorgung zu überführen. Bis solche Alternativen flächendeckend verfügbar sind, ist die Verordnungsfähigkeit von Medizinalcannabisblüten beizubehalten, um die Versorgung kranker Menschen, deren Indikationen einen schnellen Wirkeintritt verlangen, sicherzustellen.

„Solange neben wenigen – teils schwer dosierbaren – inhalierfähigen Extrakten keine zusätzlichen Alternativen zur Inhalation verfügbar sind, wäre die Streichung der Verschreibungsfähigkeit von Medizinalcannabisblüten ein erheblicher Rückschritt. Vielen Kranken würde damit eine seit Jahren bewährte Therapieoption genommen“, warnt Daniela Joachim, Vorstandsvorsitzende des Bund Deutscher Cannabis-Patienten e.V. (BDCan).

Klare Trennung von Medizinalcannabis und Konsumcannabis

Die Cannabis-Fachverbände befürworten eine klare Trennung zwischen Medizinalcannabis und Konsumcannabis. „Ein Missbrauch von Arzneimitteln sollte verhindert werden, jedoch nicht zulasten von Patient:innen, die auf ihre Therapie angewiesen sind“, betont Dr. Christiane Neubaur, Geschäftsführerin des Verbands der Cannabis versorgenden Apotheken e.V. (VCA).

Das Bündnis regt zudem an, dass zusätzlich ein legaler Zugang für Konsument:innen über wissenschaftliche Pilotprojekte im Rahmen der Forschungsklausel (§ 2 Abs. 4 KCanG) geschaffen werden sollte. Dann kann man eine schärfere Trennlinie zwischen Konsument:innen und Patient:innen ziehen und gleichzeitig wissenschaftliche Evidenz für eine zukünftige Cannabis-Regulierung schaffen.

[1] Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (2022): Abschlussbericht für die Begleiterhebung zur Anwendung von Cannabisarzneimitteln https://www.bfarm.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2022/pm05-2022.html

[2] Nguyen T., et al. (2023), Changes in Prescribed Opioid Dosages Among Patients Receiving Medical Cannabis for Chronic Pain, New York State, 2017-2019, JAMA Netw Open. 2023;6(1):e2254573. doi:10.1001/jamanetworkopen.2022.54573

[3] GKV-Arzneimittel-Schnellinformation für Deutschland (2024): Bruttoumsätze und Verordnungen von Cannabinoidhaltigen Fertigarzneimitteln und Zubereitungen von Januar bis Dezember 2024, https://www.gkv-gamsi.de/media/dokumente/quartalsberichte/2024/q4_31/Bundesbericht_GAmSi_202412_konsolidiert_Sonderbeilage_Cannabis.pdf

Über die Verbände:

Die Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e.V. (ACM) wurde 1997 in Köln gegründet. In ihr haben sich Ärzt:innen, Apotheker:innen, Patient:innen, Jurist:innen und andere Interessierte aus Deutschland und der Schweiz organisiert. Die ACM hat in den vergangenen 25 Jahren maßgeblich an den Verbesserungen bei der medizinischen Verwendung von Cannabis und Cannabinoiden in Deutschland mitgewirkt. So wurde durch eine von der ACM initiierte Verfassungsbeschwerde und nachfolgende Musterprozesse vor den Verwaltungsgerichten der Weg für Ausnahmeerlaubnisse für die Verwendung von Cannabis aus der Apotheke im Jahr 2007 und schließlich für das Gesetz aus dem Jahr 2017 bereitet.

Der Bund Deutscher Cannabis-Patienten e.V. (BDCan) als gemeinnütziger Verein setzt sich durch direkten Austausch mit der Politik, Ärzt:innen, Apotheker:innen, Krankenkassen, MDK sowie der Industrie dafür ein, dass Patient:innen mit qualitativ hochwertigen Cannabisarzneimitteln in verschiedenen Darreichungsformen flächendeckend von den niedergelassenen Apotheken vor Ort und zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherungen versorgt werden, wenn eine Therapie mit Cannabinoiden indiziert ist. Zudem bieten wir unseren Mitgliedern Unterstützung bei der Gründung von Selbsthilfegruppen und beraten in diesen sowie über unsere Hotline und per E-Mail zu allen Fragen rund um die Therapie mit Medizinalcannabis.

Der Branchenverband Cannabiswirtschaft e.V. (BvCW) ist die Stimme der Cannabiswirtschaft in Deutschland und vertritt alle Branchensegmente und Unternehmensgrößen gegenüber Politik und Verwaltung. Unsere Fachbereiche gliedern sich in „Genussmittelregulierung“, „Nutzhanf & Lebensmittel“, „Medizinalcannabis“, „CBD et al.“ sowie “Technik, Handel & Dienstleistung”. Wir bündeln industriepolitische, technologische, wissenschaftliche und wirtschaftliche Expertise und setzen uns für bessere politischen Rahmenbedingungen ein.

Der Bundesverband pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen e. V. (BPC) ist die Stimme der pharmazeutischen Cannabinoidunternehmen in Deutschland. Der Verband bündelt die Expertise seiner Mitgliedsunternehmen, um Patient:innen in Deutschland die bestmögliche Versorgung mit qualitätsgesichertem medizinischen Cannabis zu ermöglichen. Hierfür setzt sich der Verband aktiv für Forschungsförderung, eine zukunftsfähige Weiterentwicklung von Cannabinoidtherapien, ideale Anbau- und Versorgungsstrukturen von Medizinalcannabis sowie Aufklärung und Weiterbildung ein.

Das erklärte Ziel des Verbands der Cannabis versorgenden Apotheken e.V. (VCA) ist es, in Deutschland eine effiziente und bezahlbare Versorgung von Patient:innen mit medizinischem Cannabis sicherzustellen. Diese Versorgungspflicht sieht der Verband ganz klar bei den pharmazeutischen Expert:innen in der Apotheke. Denn gemäß § 1 Apothekengesetz obliegt den Apotheken die im öffentlichen Interesse gebotene Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. Hier ist der Kontaktpunkt für Patient:innen, vor, während und nach dem Erhalt einer ärztlichen Verordnung. Das pharmazeutische Fachpersonal kann optimal beraten und therapeutisch begleiten.