Medizinisches Cannabis kann bei einer Vielzahl von Indikationen Symptome lindern, Krankheitsverläufe verbessern und damit einen großen Teil zur Lebensqualität von Patient:innen beitragen. Ein häufiger Einsatz von Cannabis-Arzneimitteln erfolgt beispielsweise in der Schmerztherapie. Die Behandlung von chronischen Schmerzen erfordert einen möglichst gleichmäßigen Wirkspiegel des eingesetzten Präparates. Hierfür ist die sorgfältige Einstellung der Patient:innen auf die individuelle Therapie von entscheidender Bedeutung.

Eine Substitution von Cannabis-Arzneimitteln kann die Therapiesicherheit gefährden.

Cannabisarzneimittel sind pflanzliche Arzneimittel, für die die allgemeinen Substitutionskriterien Anwendung
finden:

  • Gleicher Wirkstoff
  • Identische Wirkstärke
  • Gleiche Packungsgröße
  • Vergleichbare Darreichungsform
  • Übereinstimmendes Anwendungsgebiet

Eine Substitution darf nicht erfolgen, wenn das ärztliche Fachpersonal den Austausch durch das Setzen des Autidem-Kreuzes ausschließt.

Nach Angaben des Deutschen Apotheken Portals (DAP) dürfen Cannabisblüten und -extrakte in Apotheken nicht ausgetauscht werden. Sofern die verordnete Blütensorte oder der verordnete Extrakt nicht lieferbar sind, dürfen diese nicht durch die Sorte eines anderen Herstellers mit einem ähnlichen oder gleichen THC/CBD-Gehalt substituiert werden. Für die Abgabe einer anderen Blüten- oder Extraktsorte ist eine Rezeptänderung oder ein neu ausgestelltes Rezept aus der Arztpraxis nötig.

Auch der BPC e.V. bewertet eine Substitution von medizinischen Cannabisblüten und Cannabisextrakten als kritisch:

  • Cannabispflanzen umfassen mehr als 400 verschiedene Inhaltsstoffe, darunter Cannabinoide und Terpene. Cannabisblüten-Sorten mit gleichem THC- und CBD-Gehalt können sich in ihrem Terpenprofil unterscheiden. Das Terpenprofil kann jedoch die Wirkung der Cannabinoide mitunter stark beeinflussen (“Entourage-Effekt”) (Russo 2011).
  • Medizinisches Cannabis erfüllt nicht die Definition eines Generikums. Die Therapieumstellung auf eine andere Cannabisblüte oder ein anderes Cannabisextrakt mit dem gleichen THC- und CBD-Gehalt kann bei den Patient:innen zu unterschiedlichen Wirkungen führen, da der Gehalt an weiteren Phytocannabinoiden hierbei eine Rolle spielt (Aviram et al. 2021). Ebenso konnte präklinisch bewiesen werden, dass auch durch Terpene, die sich in ihrer Zusammensetzung je nach Kultivar stark unterscheiden, die Wirkung der Cannabinoide beeinflusst werden kann (LaVigne et al. 2021).
  • Cannabispflanzen sind ein Naturprodukt und ihre Inhaltsstoffe unterliegen den natürlichen Schwankungen ihrer jeweiligen Spezifikationen. Die genaue Zusammensetzung von Cannabisextrakten ist zudem abhängig vom Verarbeitungsprozess, d.h. Zeitpunkt der Ernte, Lagerbedingungen, Extraktionsmittel und -verfahren. Für eine Beurteilung der Wirkstoffgleichheit gibt es nur wenige deklarierte Parameter: Gleichheit der Arzneidroge, Extraktionsmittel (Art und Konzentration), Extraktionsverfahren, Extraktausbeute (Droge/Extrakt-Verhältnis). Selbst bei Übereinstimmen dieser Parameter kann es sich nicht um wirkstoffidentische Präparate handeln, wenn unterschiedliche Kultivare vorliegen.
  • Im Gegensatz zu Cannabis-Arzneimitteln, die auf der direkten Verwendung der Cannabispflanze beruhen (getrocknete Blüten/Cannabisextrakte), stellt sich eine Substitution von Monosubstanzen als eher unkritisch dar. Eine Therapie mit Monosubstanzen (z. B. Dronabinol/THC, CBD) basiert auf dem gezielten Einsatz einzelner Wirkstoffe – diese Wirkstoffe sind unabhängig von Hersteller oder Herstellungsverfahren identisch. Durch eine Substitution ist eine unterschiedliche Wirkung bei den Patient:innen somit nicht zu erwarten.
  • Grundsätzlich gilt jedoch, dass die Angabe der Sorte die Arzneimittel-Verschreibung eindeutig macht. BtM-Arzneimittel müssen dementsprechend so abgegeben werden, wie sie verordnet sind. Für die Abgabe eines anderen Produktes ist die Ausstellung eines neuen Rezeptes notwendig.
  • Weiterhin ist zu bedenken, dass die gesetzlichen Krankenkassen durch das Instrument der Hilfstaxe die Möglichkeit haben, die von ihnen übernommenen Kosten für eine Therapie mit Cannabis Arzneimitteln auf einem marktüblichen Niveau zu halten. Die Hilfstaxe wird hierbei der zuvor beschriebenen Vielseitigkeit von Cannabis-Arzneimitteln gerecht.

Potentielle Risiken von Rabattverträgen mit Cannabis-Arzneimitteln

Patentfreie Arzneimittel, speziell Generika, unterliegen einem enormen Wettbewerbs- und Preisdruck. Rabattverträge (§130a SGB V) sind ein viel genutztes Instrument im Bereich der Fertigarzneimittel, um Ausgaben im Arzneimittelbereich zu senken. Im Bereich der Rezepturarzneimittel sind Rabattverträge unüblich. Rabattverträge bergen die Gefahr von Lieferengpässen. Krankenkassen nutzen verschiedene Modelle bei Rabattausschreibungen, darunter sehr häufig Ein-Partner-Modelle mit Exklusivverträgen. Hierbei besteht zum Einen das Risiko, dass die Patient:innen nicht das Präparat bekommen, auf welches sie gut eingestellt sind. Zum Anderen bergen Exklusivverträge das Risiko, dass das bezuschlagte pharmazeutische Unternehmen nicht (rechtzeitig) lieferfähig ist. Diese bekannten Risiken von Rabattverträgen können im Wesentlichen auch für Cannabis-Arzneimittel zutreffen, insbesondere die Gefahr von Lieferengpässen.

Fazit und Forderungen des BPC e.V.:

  • Cannabisblüten und -extrakte mit identischem THC/CBD-Gehalt, aber unterschiedlichem Terpenprofil, sind keine Generika und somit aus medizinischer Sicht nicht austauschbar.
  • Eine Austauschbarkeit von Monopräparaten wie Dronabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) ist denkbar.
  • Der Preis für medizinische Cannabis-Arzneimittel ist durch die Hilfstaxe klar geregelt. Rabattverträge erhöhen lediglich das Risiko für Lieferengpässe.
  • Um eine sichere Therapie und Versorgung der Patient:innen mit Cannabisblüten und -extrakten sicherzustellen, sollten diese Arzneimittel von Rabattvertragsausschreibungen ausgeschlossen und auf die Substitutionsausschlussliste gesetzt werden.
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