Telemedizin ist ein wichtiger Bestandteil der medizinischen Versorgung
Die Telemedizin ist ein unverzichtbares Instrument des modernen Gesundheitswesens und damit auch im Bereich Medizinalcannabis nicht mehr wegzudenken. Sie erleichtert den Zugang zu ärztlicher Betreuung, schließt gerade in strukturschwachen Regionen vorhandene Versorgungslücken und trägt zur Effizienzsteigerung des Gesundheitssystems bei.
Auch auf der Patientenseite gewinnt die Telemedizin zunehmend an Bedeutung und hat sich als fester Bestandteil der Gesundheitsversorgung etabliert. Lange Wartezeiten bei Haus- und Fachärzten, die laut einer Umfrage des GKV- Spitzenverbands ein wesentliches Problem für Patientinnen und Patienten darstellen, können so vermieden werden. Besonders in ländlichen und strukturschwachen Regionen, in denen es häufig an ausreichend Ärztinnen und Ärzten mangelt, ermöglicht die Telemedizin eine wohnortnahe, kontinuierliche medizinische Betreuung. Sie trägt damit wesentlich zur Sicherstellung einer gleichwertigen Gesundheitsversorgung für alle Bevölkerungsgruppen bei.
Dabei steht die Förderung telemedizinischer Angebote nicht im Widerspruch zu einer qualitativ hochwertigen Versorgung in Vor-Ort-Sprechstunden und Beratung in Vor-Ort-Apotheken: Ein Zweiklang aus Versorgungssicherheit und digitaler wie analoger Beratung verbessert die Patientenversorgung in Deutschland nachhaltig.
Mit Inkrafttreten des Medizinal-Cannabisgesetzes (MedCanG) und Wegfall des Betäubungsmittelstatus für Medizinalcannabis können nunmehr auch elektronische Verschreibungen im Rahmen der Cannabistherapie getätigt werden. Neben deutschen Ärztinnen und Ärzten ist zudem auch die grenzüberschreitende Verschreibung aus EU- und EWR-Mitgliedstaaten sowie der Schweiz zulässig, sofern Medizinalcannabis im jeweiligen Ausstellerstaat verkehrsfähig ist und die ausstellende Person dort rechtlich zur Verschreibung befugt ist.
Durch die hohe Ablehnungsquote für Kostenerstattungsanträge auf medizinisches Cannabis bei Krankenkassen sehen sich Patientinnen und Patienten oftmals dazu gezwungen, sich ihr Medikament auf einem Privatrezept verschreiben zu lassen. Zwar sollen Kostenerstattungen nur in Ausnahmefällen abgelehnt werden, doch hohe Ablehnungsquoten werden dieser Vorgabe nicht gerecht. Zusätzlich bestehen innerhalb der Ärzteschaft weiterhin Verunsicherungen bei Cannabis-Verordnungen, gepaart mit der Angst vor Regressen. So bleiben für Menschen, die Cannabis als Therapieform nutzen möchten, häufig nur telemedizinische Angebote, da viele Privatverordnungen dort erfolgen.
Die letzte und sicherlich schädlichste Alternative für Patientinnen und Patienten ist die Selbstversorgung mit Cannabis aus dem illegalen Markt. Das dort angebotene Cannabis ist häufig verunreinigt und gestreckt und birgt große gesundheitliche Gefahren bei der Verwendung. Gerade für immunsupprimierte Menschen kann dies sehr gefährlich sein. Mit Hinblick auf den Gesundheitsschutz ist es daher unbedingt notwendig, existierende und legale Angebote wie die Telemedizin zu fördern und zu verbessern, um Menschen von eben jenem Gang auf den illegalen Markt abzuhalten.
Die Telemedizin steht vor dem Vorwurf auch als einfacher Beschaffungsweg von Freizeitkonsumentinnen und -konsumenten genutzt zu werden. Das stigmatisiert sowohl die Telemedizin als ergänzendes Angebot moderner medizinischer Versorgung als auch die Versorgungsnotwendigkeit schwerkranker Patientinnen und Patienten mit Medizinalcannabis.
Risiken (grenzüberschreitender) telemedizinischer Behandlung und Arzneimittelverordnung
Für die Verschreibung bestimmter Wirkstoffgruppen ist eine bedenkliche Praxis telemedizinischer Behandlungen über Ländergrenzen hinweg zu beobachten.
Digitale Plattformen vermitteln grenzüberschreitende Gesundheitsdienstleistungen, die den jeweiligen inländischen Standards und Leitlinien für Qualität und Sicherheit nicht immer gerecht werden. Insbesondere verordnen hierbei im EU-Ausland ansässige Ärztinnen und Ärzte verschreibungspflichtige Arzneimittel – darunter auch medizinisches Cannabis, teilweise auf Grundlage eines Onlinefragebogens ohne initialen Patientenkontakt per Videosprechstunde.
Um eine sichere, hochwertige und effiziente grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung zu gewährleisten, fordert der BPC:
1. Berufsrechtliche Grundlagen stärken und fachliche Standards für Telemedizin weiterentwickeln
Die ärztliche Fernbehandlung ist nach § 7 Abs. 4 MBO-Ä zulässig und hat sich als wichtiger Bestandteil einer modernen, patientenorientierten Versorgung etabliert. Um der zunehmenden Bedeutung telemedizinischer Behandlungsformen gerecht zu werden, ist es Aufgabe der ärztlichen Selbstverwaltung, bestehende Leitlinien und fachliche Standards – etwa die Hinweise und Erläuterungen der Bundesärztekammer zur Fernbehandlung – weiter zu präzisieren und an den aktuellen Stand von Technik, Versorgungspraxis und Patientenbedürfnissen anzupassen. Dies stärkt die Rechtssicherheit für Ärztinnen und Ärzte, fördert die Qualität der Versorgung und schützt gleichzeitig vor Missbrauch.
2. Bestehende Vorgaben für (grenzüberschreitende) telemedizinische Gesundheitsdienstleistungen und Verschreibungen effektiv vollziehen
Hierbei sind insbesondere folgende gesetzliche Regelungen effektiv zu vollziehen:
• Das Heilmittelwerbegesetz sieht heute schon Einschränkungen für die Werbung für Fernbehandlungen (§9 HWG) und verschreibungspflichtige Arzneimittel (§10 HWG) vor;
• Es gelten ärztliche wie apothekerliche Beeinflussungs- und Zuweisungsverbote von Patientinnen und Patienten sowie Verschreibungen (§11 Apothekengesetz, § 31 MBO-Ä);
• Die Apotheke hat bei Verdacht auf Missbrauch die Abgabe eines Arzneimittels zu verweigern (§ 17 Abs. 8 ApBetrO);
• Datenschutzrechtliche Vorgaben schützen den (grenzüberschreitenden) Austausch von Gesundheitsdaten zwischen Patientinnen und Patienten sowie Leistungserbringern (EU-DSGVO, BDSG);
• Das Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens (DigiG) hat den Rahmen für eine umfassende Integration telemedizinischer Angebote in die Regelversorgungen geschaffen, u.a. durch die Aufhebung der 30 %-Mengenbegrenzung bei Videosprechstunden und die Einbindung weiterer Leistungserbringer;
• Die Vereinbarungen für den Einsatz der Videosprechstunde zwischen Kassenärztlicher Bundesvereinigung und dem GKV-Spitzenverband sowie die im Bundesmantelvertrag-Ärzte (Anlagen 31b und 31c BMV-Ä) vereinbarten Qualitätsstandards gilt es zu berücksichtigen und umzusetzen;
• Das MedCanG stellt unrichtige Angaben zur Erlangung einer Cannabis- Verschreibung sowie die unbefugte Abgabe oder Verabreichung unter Strafe (§ 8 MedCanG).
3. Grenzüberschreitende Sicherstellung des Informationsflusses gewährleisten
Die zunehmende Inanspruchnahme grenzüberschreitender digitaler Gesundheitsdienstleistungen innerhalb der Europäischen Union stellt hohe Anforderungen an die Koordination und den Austausch relevanter Informationen zwischen den Mitgliedstaaten. Damit Patientinnen und Patienten auch über Landesgrenzen hinweg sicher, effizient und im Einklang mit hohen Qualitätsstandards versorgt werden können, ist ein funktionierender Informationsfluss zwischen den beteiligten Gesundheitssystemen unerlässlich. Nur wenn verlässliche Informationen zu Qualifikation, Identität und beruflicher Integrität des medizinischen Personals ebenso verfügbar sind wie strukturierte medizinische Daten der Patientinnen und Patienten, lässt sich das Patientenwohl grenzüberschreitend gewährleisten. Um dies zu ermöglichen, sind konkrete nationale und europäische Maßnahmen erforderlich, die Transparenz schaffen, rechtliche Rahmenbedingungen harmonisieren und Datenschutz sowie Informationssicherheit garantieren. Die folgenden Punkte zeigen auf, wie Deutschland und andere EU-Mitgliedstaaten zur Sicherstellung dieses Informationsflusses beitragen kann:
• Auskunft über Approbation und berufsrechtliche Überwachung von Ärztinnen und Ärzten zwischen EU-Mitgliedsstaaten
• Grenzüberschreitender Zugang zu einer Patientenakte
• Transparenz über die Person des behandelnden Arztes / der behandelnden Ärztin
• Aufklärung über und Harmonisierung von Standards und Leitlinien für Qualität und Sicherheit
• Gewährleistung von Datenschutz und Informationssicherheit
• Möglichkeit zur Altersverifikation von Patientinnen und Patienten
• Grenzüberschreitende Zusammenarbeit nationaler Kontaktstellen für den Informationsaustausch und Amtshilfe bei der Sanktionierung berufsrechtlicher Verstöße
4. Vermittlungsplattformen für (grenzüberschreitende) Gesundheitsdienstleistungen kontrollieren
Oftmals finden Angebot und Vermittlung grenzüberschreitender Gesundheitsdienstleistungen über digitale Plattformen statt. Auch diese Plattformen sind zur Einhaltung der oben genannten Vorgaben (vgl. Ziff. 2 und 3) effektiv zu verpflichten. Bei der Zwischenschaltung digitaler Plattformen darf keine Umgehung des Zuweisungsverbots und anderer bestehender rechtlicher Vorgaben möglich sein.
Fazit
Die Telemedizin hat sich als unverzichtbarer Bestandteil einer modernen, patientenzentrierten Gesundheitsversorgung etabliert – auch im Bereich Medizinalcannabis. Sie ermöglicht vor allem in strukturschwachen Regionen den Zugang zu ärztlicher Betreuung und kompensiert Versorgungsengpässe, die vielerorts bestehen. Gerade schwerkranke Patientinnen und Patienten, die auf eine kontinuierliche Behandlung angewiesen sind, profitieren enorm von telemedizinischen Angeboten. Eine pauschale Einschränkung dieses Versorgungsweges könnte die medizinische Versorgung vulnerabler Gruppen verschlechtern und ungewollt illegale Selbstversorgung befördern.
Die Verabschiedung des Digital-Gesetzes (DigiG) war ein bedeutender Meilenstein für die Weiterentwicklung der Telemedizin. Um das volle Potenzial dieser innovativen Versorgungsform auszuschöpfen, müssen Regeln und Standards weiter ausdefiniert werden. Zudem bedarf es der effektiven Umsetzung und Kontrolle bestehender rechtlicher Vorgaben.
Der BPC spricht sich für die Fortentwicklung der allgemeingültigen Vorgaben (grenzüberschreitender) telemedizinischer Behandlungsformen aus. Dieses Vorhaben muss in seiner Gesamtheit umgesetzt werden und nicht im Wege der Einzelfallbewertung am Beispiel Medizinalcannabis. Eine sichere, qualitativ hochwertige und ethische Nutzung der Telemedizin ist essenziell, um die Patientensicherheit zu gewährleisten und die Gesundheitsversorgung nachhaltig zu stärken. Die konsequente Durchsetzung bestehenden Rechts auf nationaler und europäischer Ebene für eine kongruente Handhabung telemedizinischer Standards sind somit unabdingbar.
Der Bundesverband Pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen e. V. (BPC) ist die Stimme der pharmazeutischen Cannabinoidunternehmen in Deutschland. Der Verband bündelt die Expertise seiner Mitgliedsunternehmen, um Patient:innen in Deutschland die bestmögliche Versorgung mit qualitätsgesichertem medizinischen Cannabis zu ermöglichen. Hierfür setzt sich der Verband aktiv für Forschungsförderung, eine zukunftsfähige Weiterentwicklung von Cannabinoidtherapien, ideale Anbau- und Versorgungsstrukturen von Medizinalcannabis sowie Aufklärung und Weiterbildung ein.